Die nasseste Seedurchquerung aller Zeiten

LZ - Christian Flemming -

So nass war es noch nie bei der Lindauer Seedurchquerung. Okay, dass das Wasser des Bodensee nichts anderes als nass ist, ist klar. Aber so geregnet und geschüttet hat es in der bisherigen Historie dieser beliebten Veranstaltung noch nie. Trotzdem, alle 200 Starter (von 215 gemeldeten) sind ins Ziel gekommen - allesamt mit einem Strahlen auf dem Gesicht.

Petrus hatte es nicht so gut mit den Schwimmern – oder auch den Schweizer Wetterfröschen - in diesem Jahr gemeint, denn die Prognosen änderten sich alle paar Minuten. Starker Regen und die Ungewissheit, ob da nochmal ein Gewitter mit dabei ist, bewog die Organisatoren, die Schwimmabteilung des TSV Lindau und die Wasserwacht Lindau, den Start von ursprünglich 8 Uhr zweimal zu verschieben. So ging die erste Startgruppe mit all den Vereinsschwimmerinnen und -schwimmern um 9.30 Uhr ins Wasser, um die 2,3 Kilometer vom Eichwaldbad zum Römerbad auf der Lindauer Insel zu durchkraulen. Wenige Minuten später folgten die beiden anderen Gruppen mit Freizeit- und Nachwuchsschwimmern.

Lange sah es nach einem einsamen Rennen des Doppelsiegers der beiden vergangenen Jahre aus, so sah es zumindest Ron Epple aus Lindenberg. „Erst wenige hundert Meter vor dem Ziel, als ich mich mal orientierte, bemerkte ich, dass ich nicht alleine war“, so der Sportstudent und angehende Triathlet. Denn praktisch gleichauf mit ihm waren Franziska Kolb (Stadtbergen) und Felix Odau (Neusäß). So entwickelte sich ein packendes Finish, „das ich wohl nur aufgrund meiner Erfahrung im Römerbad, wie das mit dem Treppenaufgang läuft, für mich entscheiden konnte“, reflektiert der 23-jährige Epple ehrlich.

Denn nur wenige Meter vor besagter Treppe war die sieben Jahre jüngere Kolb noch gleichauf mit ihm und schlussendlich mit lediglich 1,8 Sekunden Rückstand Zweite im Ziel und damit Schnellste der Frauen. Nochmals zwei Jahre jünger ist Felix Odau, der wiederum nur 4,5 Sekunden nach Epple mit dem Transponder die Zielmatte überquerte. Epple war mit 30 Minuten und 21,5 Sekunden über zwei Minuten schneller als im Vorjahr, als Wind und Welle eine große Herausforderung darstellte.

Davon konnte in diesem Jahr kaum die Rede sein. Wind und Welle waren kaum vorhanden, Wellen allenfalls von den großen Bodenseeschiffen, die am Vormittag bereits unterwegs waren. Der Regen störte die Schwimmer auch eher wenig, nass waren sie sowieso. Mit knapp 24 Grad war das Wasser jedenfalls wärmer als die Luft, „aber fast ideal“, befand Franziska Kolb. Tags zuvor war sie noch auf dem Wörthsee bei den bayerischen Freiwassermeisterschaften bei heißen Lufttemperaturen über 7,5 Kilometer an den Start gegangen, da kamen die 2,3 Kilometer im Bodensee einer leichteren Trainingseinheit gleich.

Einige Premieren feierte die Lindauer Seedurchquerung bei ihrer 20. Auflage: Zum einen die Pflicht für alle Schwimmerinnen und Schwimmer, eine aufblasbare Schwimmboje mitzuführen, vor allem aber die Premiere einer rollstuhlfahrenden Teilnehmerin. Auch für Evelyn Mauch aus Leutkirch ist diese Distanz im Freiwasser eine Premiere gewesen, bisher war ein Wettbewerb im Albsee die erste und einzige Erfahrung mit dem Freiwasser. Bis zu ihrem Unfall mit den schwerwiegenden Folgen, die sie in den Rollstuhl zwangen, war Mauch Triathletin gewesen, nun bleibt ihr noch das Schwimmen, das sie mit Leidenschaft betreibt: „Im Wasser sind wir alle gleich, da fühle ich mich vollkommen frei!“ Lediglich ins Wasser zu kommen und wieder heraus stellt sie vor andere Probleme als die „normalen“ Schwimmkollegen. Daher nahm sie im Vorfeld Kontakt mit den TSV-Organisatoren, ob es für sie möglich sei, teilzunehmen. „Und die haben toll reagiert! Wie sie mir eine Kanutin organisiert hatten, die mich begleitete, überhaupt, wie das ganze hier organisiert ist, mit all den vielen Helfern von Wasserwacht, Feuerwehr und THW, das habe ich in diesem Ausmaß noch nirgends gesehen“, schwärmt sie beeindruckt.

Mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da, das bestätigen viele Teilnehmer aus nah und fern. Selbst das feuchtfröhliche Wetter will keiner den Organisatoren vorwerfen, auch nicht, dass sie anderthalb Stunden im Eichwaldbad warten mussten und dabei schon fast auskühlten. Die Sicherheitsbedenken befanden so gut wie alle für richtig, so warteten sie geduldig bis zur Startfreigabe.

Ob Mauch bei der nächsten Seedurchquerung wieder teilnehmen wird? „So weit plane ich nicht voraus, aber möglich ist alles“, lacht sie, längst wieder halbwegs im Trockenen – wenn man bei diesem Wetter diesen Begriff überhaupt verwenden will – und mit der Goldenen Badelatsche geehrt.

Ron Epple wird sicher wiederkommen, falls ihn keine Verletzungen davon abhalten. Dann könnte es für ihn noch enger werden, denn die im Vorjahr wegen einer Knieverletzung fehlende Franziska Kolb hat fest vor, wieder dabei zu sein. Außerdem gibt es da noch die Jungs von den Neusäßer Schwimmern, voran Felix Odau. Für Spannung wird gesorgt sein, für besseres Wetter hoffentlich auch. Aber das haben die TSV-Schwimmer und die Wasserwacht nicht im Griff.